Über: Körper
2022, Astrid Gallinat/Kunsthistorikerin, Bologna
Übersetzung: Thyra Schmidt
Körper von Thyra Schmidt betitelt eine zweiteilige Arbeit, bestehend aus gerahmten Siebdrucken auf Büttenpapier. Jedes Blatt enthält einen auf Deutsch verfassten Text der Künstlerin. Für den Betrachter bleibt die Person des Sprechers jedoch unbekannt. Die Schriftzeichen sind in einem cremefarbenen Ton gedruckt, so dass nur ein minimaler Kontrast zum Papier besteht. Sie wirken daher wie eingebettet in die weichen Bögen, die eher einen gedämpften als einen strahlenden Weißton besitzen. Diese Gestaltung der Texte spiegelt ihren intimen Inhalt wider. Zudem verlangsamt der Schriftsatz das Lesetempo, da er durch Zeilenumbrüche, Leerzeilen und Einzüge kürzere und längere Pausen vorgibt.
Körper I beginnt mit dem Ausruf „Diese Musik!“ und bezieht sich dann auf das Erinnern an den Geruch einer anderen Person, das vermutlich durch die Musik entfacht wird. Dieses Andenken verleitet dazu, die Erregung des anderen wahrzunehmen und auf den Sprecher zu übertragen. Offensichtlich ist die andere Person abwesend. Nichtsdestotrotz ist das durch die Musik wachgerufene Nachspüren so stark, dass die Gefühle eine körperliche Wirkung haben.
Der erste Satz von Körper II vermag die Abwesenheit für einen Moment aufzuheben, da der Sprecher den anderen zu beobachten scheint. Die nächste Zeile über einen vermeintlichen Körperkontakt offenbart jedoch das Fehlen einer realen Präsenz. Dennoch bleibt die Vorstellung dieser bestehen, aber das Bild verblasst. Die beiden Texte schildern also eine Entwicklung der Entfremdung, die durch eine anhaltende Distanz herbeigeführt wird.
Da die intime Imagination vom Körper des anderen dessen fehlende Gesellschaft und damit die Entbehrung der haptischen Empfindung ausdrücken könnte, könnten die Texte von einem zeitlichen oder dauerhaften Verlust sprechen, der durch eine Reise, Krankheit, Trennung oder sogar den Tod verursacht wird. Dies passt zu Thyras allgemeinem Interesse an menschlichen Beziehungen. In ihren Arbeiten reflektiert sie über Nähe und Distanz. Ihr überwiegend textbasiertes Werk umschreibt innere und äußere Wahrnehmungen – Erfahrungen, die sich während der Pandemie gewandelt haben. So gesehen verweist Körper auf fehlenden physischen Kontakt aufgrund von Lockdowns mit eingeschränkten persönlichen Begegnungen und bezieht sich zugleich auf eine sich verändernde Kommunikation, verlagert auf digitalbasierte Beziehungen.
In diesem Sinne könnte Körper I von den Gefühlen bei einem Treffen über das Internet erzählen, bei dem zwei Personen zusammen Musik hörten. Hier steht die Musik für eine gemeinsame sinnliche Erfahrung, trotz der physischen Distanz. Eine solche virtuelle Begegnung könnte sogar körperliche Reaktionen hervorrufen. In Körper II hingegen vergrößert sich die emotionale Ferne, ungeachtet des visuellen Kontakts. Eine Entfremdung, die durch die Entbehrung des körperlichen Kontakts und das unbefriedigende Kommunikationsmedium ausgelöst wird. „Das Bild ruckelt.“
Körper [Body/Bodies]
2021, two-part typographic work (text: artist), silkscreen print on handmade paper
→ artwork
← words
↑
Über: Körper
2022, Astrid Gallinat/Kunsthistorikerin, Bologna
Übersetzung: Thyra Schmidt
Körper von Thyra Schmidt betitelt eine zweiteilige Arbeit, bestehend aus gerahmten Siebdrucken auf Büttenpapier. Jedes Blatt enthält einen auf Deutsch verfassten Text der Künstlerin. Für den Betrachter bleibt die Person des Sprechers jedoch unbekannt. Die Schriftzeichen sind in einem cremefarbenen Ton gedruckt, so dass nur ein minimaler Kontrast zum Papier besteht. Sie wirken daher wie eingebettet in die weichen Bögen, die eher einen gedämpften als einen strahlenden Weißton besitzen. Diese Gestaltung der Texte spiegelt ihren intimen Inhalt wider. Zudem verlangsamt der Schriftsatz das Lesetempo, da er durch Zeilenumbrüche, Leerzeilen und Einzüge kürzere und längere Pausen vorgibt.
Körper I beginnt mit dem Ausruf „Diese Musik!“ und bezieht sich dann auf das Erinnern an den Geruch einer anderen Person, das vermutlich durch die Musik entfacht wird. Dieses Andenken verleitet dazu, die Erregung des anderen wahrzunehmen und auf den Sprecher zu übertragen. Offensichtlich ist die andere Person abwesend. Nichtsdestotrotz ist das durch die Musik wachgerufene Nachspüren so stark, dass die Gefühle eine körperliche Wirkung haben.
Der erste Satz von Körper II vermag die Abwesenheit für einen Moment aufzuheben, da der Sprecher den anderen zu beobachten scheint. Die nächste Zeile über einen vermeintlichen Körperkontakt offenbart jedoch das Fehlen einer realen Präsenz. Dennoch bleibt die Vorstellung dieser bestehen, aber das Bild verblasst. Die beiden Texte schildern also eine Entwicklung der Entfremdung, die durch eine anhaltende Distanz herbeigeführt wird.
Da die intime Imagination vom Körper des anderen dessen fehlende Gesellschaft und damit die Entbehrung der haptischen Empfindung ausdrücken könnte, könnten die Texte von einem zeitlichen oder dauerhaften Verlust sprechen, der durch eine Reise, Krankheit, Trennung oder sogar den Tod verursacht wird. Dies passt zu Thyras allgemeinem Interesse an menschlichen Beziehungen. In ihren Arbeiten reflektiert sie über Nähe und Distanz. Ihr überwiegend textbasiertes Werk umschreibt innere und äußere Wahrnehmungen – Erfahrungen, die sich während der Pandemie gewandelt haben. So gesehen verweist Körper auf fehlenden physischen Kontakt aufgrund von Lockdowns mit eingeschränkten persönlichen Begegnungen und bezieht sich zugleich auf eine sich verändernde Kommunikation, verlagert auf digitalbasierte Beziehungen.
In diesem Sinne könnte Körper I von den Gefühlen bei einem Treffen über das Internet erzählen, bei dem zwei Personen zusammen Musik hörten. Hier steht die Musik für eine gemeinsame sinnliche Erfahrung, trotz der physischen Distanz. Eine solche virtuelle Begegnung könnte sogar körperliche Reaktionen hervorrufen. In Körper II hingegen vergrößert sich die emotionale Ferne, ungeachtet des visuellen Kontakts. Eine Entfremdung, die durch die Entbehrung des körperlichen Kontakts und das unbefriedigende Kommunikationsmedium ausgelöst wird. „Das Bild ruckelt.“
Körper [Body/Bodies]
2021, two-part typographic work (text: artist), silkscreen print on handmade paper
→ artwork
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